Brutkastenlüge

Die sogenannte „Brutkastenlüge“ (1990/1991) war ein zentraler Propagandavorfall im Vorfeld des Zweiten Golfkriegs und hatte eine tiefgreifende Wirkung auf die öffentliche Meinung in den USA und weltweit. Sie zeigt exemplarisch, wie emotionale Manipulation gezielt eingesetzt werden kann, um politische und militärische Entscheidungen zu legitimieren.


Was war die „Brutkastenlüge“?

Im Oktober 1990 trat ein kuwaitisches Mädchen mit dem Vornamen „Nayirah“ vor den US-Kongress und schilderte unter Tränen, wie sie angeblich Augenzeugin wurde, wie irakische Soldaten in ein kuwaitisches Krankenhaus eindrangen, Frühchen aus Brutkästen rissen und diese auf dem kalten Boden sterben ließen.

Später stellte sich heraus:

  • Die Geschichte war erfunden.

  • „Nayirah“ war die Tochter des kuwaitischen Botschafters in den USA.

  • Ihre Aussage war Teil einer PR-Kampagne der amerikanischen Agentur Hill & Knowlton, die im Auftrag der kuwaitischen Exilregierung arbeitete.


Wirkung und Bedeutung

1. Emotionale Mobilisierung der Öffentlichkeit

Die Geschichte erzeugte weltweit Entsetzen:

  • Sie verstärkte das Bild vom Irak unter Saddam Hussein als unmenschlich und grausam.

  • Besonders die Tötung von Neugeborenen wirkte als starker emotionaler Hebel („Kindermord“ als Symbol für moralische Verwerflichkeit).

  • Medien in den USA und Europa griffen die Geschichte bereitwillig auf, meist ohne kritisches Hinterfragen.

2. Legitimation militärischer Intervention

  • Der angebliche Angriff auf wehrlose Babys diente als moralische Begründung für den Einsatz militärischer Gewalt.

  • Die USA und ihre Verbündeten präsentierten den geplanten Krieg nicht nur als politische, sondern als moralische Notwendigkeit, um Leben zu retten und Menschenrechte zu verteidigen.

3. Beeinflussung politischer Entscheidungen

  • Die Aussage Nayirahs wurde im US-Kongress zitiert.

  • Sie hatte direkten Einfluss auf die Zustimmung des US-Senats zur militärischen Intervention im Januar 1991.

  • Auch die UNO wurde so moralisch unter Druck gesetzt.

4. Langfristiger Vertrauensverlust

  • Als die Lüge aufgedeckt wurde, hatte der Krieg bereits stattgefunden.

  • Der Vorfall beschädigte das Vertrauen in:

    • Regierungen und ihre Kriegskommunikation

    • Medien als Kontrolleure und Faktenprüfer

    • Öffentlichkeitsarbeit und PR-Kampagnen in Krisen

  • Kritiker sahen die Brutkastenlüge als Beispiel für Kriegspropaganda im modernen Zeitalter.


Fazit

Die „Brutkastenlüge“ war ein Paradebeispiel für emotional aufgeladene Kriegspropaganda, die auf gezielter Desinformation beruhte. Ihre Wirkung war kurzzeitig enorm: Sie trug wesentlich dazu bei, die öffentliche und politische Unterstützung für den Golfkrieg zu sichern. Langfristig jedoch führte ihre Entlarvung zu einer stärkeren Skepsis gegenüber offiziellen Kriegsbegründungen – ein Misstrauen, das in späteren Konflikten wie dem Irakkrieg 2003 erneut eine Rolle spielte.