Divide et impera

Die Maxime „Divide et impera“ („Teile und herrsche“) ist ein machtpolitisches Prinzip, das sich durch viele Epochen der Geschichte zieht. Es bedeutet, dass ein Herrscher oder eine Macht durch das Zersplittern von potenziellen Gegnern in kleinere, rivalisierende Gruppen leichter Kontrolle und Herrschaft ausüben kann. Diese Strategie wurde sowohl in der Außen- als auch in der Innenpolitik eingesetzt, um Einfluss, Stabilität oder Macht zu sichern – oft auf Kosten von Freiheit, Einheit oder Gerechtigkeit.


Bewertung der Maxime im historischen Kontext

Positiv (aus Sicht der Herrschenden):

  • Effektive Machtsicherung durch Kontrolle über zersplitterte Gruppen.

  • Verhinderung von einheitlichem Widerstand oder Aufständen.

  • Erhalt politischer Stabilität in heterogenen Reichen.

Negativ (aus moralischer oder humanistischer Sicht):

  • Spaltung führt oft zu Konflikten, Misstrauen und langfristiger Instabilität.

  • Unterdrückt Solidarität und kollektives Handeln unter Beherrschten.

  • Kann soziale, ethnische oder religiöse Gruppen gegeneinander ausspielen – oft mit verheerenden Folgen.


Historische Beispiele für „Divide et impera“

1. Römisches Reich

  • Die Römer nutzten „Divide et impera“, um die Kontrolle über ihre Provinzen zu behalten.

  • Beispiel: Germanische Stämme wurden gegeneinander aufgehetzt, um einen Zusammenschluss gegen Rom zu verhindern.

  • In Gallien setzte Cäsar auf das Prinzip, um einzelne keltische Stämme gegeneinander auszuspielen.

2. Britisches Empire (Kolonialzeit)

  • In Indien förderten die Briten Spannungen zwischen Hindus und Muslimen, um nationalistische Bewegungen zu schwächen.

  • Ethnische und religiöse Unterschiede wurden bewusst betont, um einheitliche Unabhängigkeitsbestrebungen zu erschweren.

3. Apartheid-Regime in Südafrika

  • Die Apartheidregierung organisierte die Bevölkerung in ethnisch getrennte Gruppen (z. B. Zulu, Xhosa, Sotho), um ein gemeinsames Vorgehen gegen das weiße Minderheitenregime zu verhindern.

4. Jugoslawien unter Tito (und danach)

  • Tito hielt das multiethnische Jugoslawien zusammen, indem er bewusst nationale Identitäten kontrollierte und gegeneinander ausbalancierte.

  • Nach seinem Tod zerfiel das Land in einen blutigen Bürgerkrieg – eine Folge des früheren „Balance of Power“-Prinzips.

5. Machiavelli und die Fürstenherrschaft

  • In „Il Principe“ (Der Fürst) empfiehlt Machiavelli eine Form des „Divide et impera“, um die Herrschaft über Städte oder Völker zu sichern – etwa durch Förderung von Rivalitäten innerhalb der Eliten.


Fazit

Die Maxime „Divide et impera“ war und ist ein wirkungsvolles, aber oft destruktives Herrschaftsinstrument. Sie ist machtstrategisch klug, aber ethisch zweifelhaft. Historisch gesehen hat sie vielen Herrschern Stabilität verschafft, aber oft auf Kosten von Gerechtigkeit, Frieden und langfristiger gesellschaftlicher Entwicklung.


„Bringe Beispiele aus dem aktuellen Zeitgeschehen“


Beispiele: „Divide et impera“ durch den Westen

1. Irak nach 2003 (US-Invasion)

  • Ziel: Regimewechsel (Sturz Saddam Husseins) und Neuordnung des Landes.

  • Divide et impera: Nach der Invasion wurden sunnitische, schiitische und kurdische Gruppen unterschiedlich behandelt, was zu einer tiefen Spaltung führte.

  • Die Entmachtung der Sunniten und Bevorzugung der Schiiten führte zur Radikalisierung (→ Aufstieg von Al-Qaida und später ISIS).

  • Fazit: Die USA handelten nicht nur aus Unkenntnis – Teile dieser Spaltung wurden bewusst genutzt, um Kontrolle zu behalten.


2. Libyen 2011 – NATO und der Sturz Gaddafis

  • Ziel: Eingreifen im Rahmen der „Responsibility to Protect“.

  • Divide et impera: Nach dem Sturz Gaddafis unterstützten westliche Länder unterschiedliche Gruppen oder Milizen, was zur Zersplitterung des Landes beitrug.

  • Die Abwesenheit eines einheitlichen Nachkriegsplans ermöglichte es, Einfluss über konkurrierende Kräfte auszuüben – mit langfristigem Chaos als Folge.


3. Balkanpolitik in den 1990er Jahren

  • Während des Zerfalls Jugoslawiens unterstützten westliche Staaten unterschiedliche Nachfolgestaaten (z. B. Kroatien, Bosnien), teilweise mit gegensätzlichen Interessen.

  • USA vs. EU: Unterschiedliche politische Linien führten dazu, dass keine geschlossene westliche Strategie entstand – was Serbien zunächst in die Karten spielte.

  • Gleichzeitig wurde Serbien zunehmend isoliert, während man anderen Gruppen Hoffnung auf Unabhängigkeit machte (z. B. Kosovo).


4. Westliche Afrikapolitik (Frankreich, USA)

  • Ziel: Sicherung von Rohstoffen, Kampf gegen Terrorismus.

  • Divide et impera: Unterstützung bestimmter ethnischer Gruppen oder Regierungen in Ländern wie Mali, Niger oder Côte d’Ivoire.

  • In manchen Fällen wurde bewusst auf lokale Eliten gesetzt, die Rivalitäten innerhalb der Bevölkerung verstärkten – was soziale Spannungen schürte.


5. EU-Handelspolitik in Afrika oder Asien

  • Statt faire multilaterale Abkommen abzuschließen, setzt die EU oft auf bilaterale Deals, z. B. mit einzelnen afrikanischen Staaten.

  • Divide et impera: Schwächung regionaler Zusammenschlüsse (wie der Afrikanischen Union oder ECOWAS), da einzelne Länder wirtschaftlich „herausgekauft“ werden.

  • So wird ein gemeinsames geopolitisches Auftreten unterminiert.


Fazit

Auch der Westen greift situativ auf „Divide et impera“ zurück, wenn es der eigenen Machtprojektion, Einflussnahme oder geopolitischen Strategie dient. Dies geschieht meist nicht offen, sondern durch:

  • gezielte Diplomatie oder Wirtschaftspolitik,

  • Unterstützung rivalisierender Gruppen in Konfliktregionen,

  • und selektive moralische Argumentation (z. B. „Menschenrechte“ vs. „Stabilität“).

Die Maxime ist also nicht an bestimmte Staaten oder Ideologien gebunden, sondern wird universell angewendet – wenn es machttaktisch opportun ist.